Neujahrskonzert

Oberalteich: Mozart und Beethoven

Gerold Huber jun.Andrea OswaldTraditionell, das in ganz Europa übertragene Neujahrskonzert aus Wien, ebenso traditionell die Kompositionen der Strauß-Dynastie und deren Umkreis, die bei dieser Veranstaltung gespielt werden – was die Österreicher können, können die Niederbayern auch. Jedenfalls in Hinblick auf den kompositorischen Stellenwert der Werke, die Jahr für Jahr im Kulturforum Oberalteich dem Publikum im stets vollen Saal dargeboten werden. Wer eignet sich besser, das neue Jahr zu eröffnen, als Mozart, wer konnte die Dimensionen der damaligen Musik kraftvoller sprengen und damit Zeugnis geben für Neuanfang, auch in unserer Zeit, als Beethoven? Mit diesen beiden Großmeistern führte das Niederbayerische Kammerorchester unter der bewährten Leitung von Olivier Tardy ins Jahr 2018. Beethovens 2. Sinfonie, ein Werk voll erwartungsfreudiger Zuversicht in das ein wunderbares Larghetto, der zweite Satz, eingebettet ist. Das Niederbayerische Kammerorchester arbeitete besonders diesen Satz mit viel Liebe zum Detail aus, welches sich vor allem in den präzisen Einsätzen der wechselnden Instrumentengruppen äußerte. Das das Geschehen verdeutlichende Hervorheben scheinbarer Nebensächlichkeiten tat der Transparenz keinen Abbruch, im Gegenteil, manche Passagen wurden dadurch plausibler, nachvollziehbarer. Beethovensche Kraft und Wucht vereint dieses Werk mit diesseits zugewandter melodiöser Lyrik mit durchaus volkstümlichem Charakter. Olivier Tardy schuf mit dem Niederbayerischen Kammerorchester ein sowohl kraftvolles als auch feinfühlig interpretiertes Werk.

Ein neues Jahr muss mit Mozart beginnen! Die bekannte Sopranistin Andrea Oswald eröffnete den Konzertabend des Fördervereins für Kultur und Forschung Bogen – Oberalteich mit der fröhlich-schelmischen Arie des „Blondchens“ aus Mozarts Oper „Die Entführung aus dem Serail“ in der sie dem gewalttätigen Osmin lehrt, wie man sich einer Frau gegenüber zu benehmen hat. Andrea Oswald sang diese Arie nicht nur mit schöner, eindrucksvollen Stimme, sie lebte, selbst in dieser kurzen Arie, ihre Rolle mit perfekt abgestimmter Mimik und Gestik. Die Cavantine der Barbarina aus „Die Hochzeit des Figaro“ sang Andrea Oswald in typisch „Mozartscher Manie“, leicht und locker mit ernstzunehmendem Untergrund.

Auch bei Mozart das Vibrato etwas zurückzunehmen wäre vielleicht überlegenswert, jedoch letztlich persönliche Intention. Etwas, sicher für alle im Publikum Ungehörtes, hatte Andrea Oswald parat: „Tiger“, eine Arie aus einem Vorläufer der Oper „Entführung aus dem Serail“, die leider in der endgültigen Oper nicht mehr auftaucht. Um die auf Menschen bezogene mörderische Gewalt des Tigers geht es in dieser Arie. Mit verstellter Zärtlichkeit reißt er das Herz aus dem Opfer; „Nur der Tod endigt unsere Not“ so der Schlusssatz. Andrea Oswald war ein echter Tiger. Mit großer Dramatik, in welcher sie jedoch nie die Schönheit des Gesangs aus den Augen verlor, sang sie diese Arie mit größtem Ausdruck und und zerreißender Eindringlichkeit, ihre hervorragende Artikulationskunst zu keinem Zeitpunkt außer acht lassend.

Keinen geringeren als Gerold Huber jun. konnte der Förderverein für Kultur und Forschung für das 3. Klavierkonzert op. 37 gewinnen. Überstrahlt doch dieses Konzert hinsichtlich seines Reichtums und seiner Brillanz alle anderen der fünf Klavierkonzerte Beethovens. Nicht nur Virtuosität alleine ist bei diesem Werk gefragt, vielmehr diese in magischer Weise in Poesie umzuwandeln. Nur ein großer Pianist ist hierzu fähig. Energiegeladen, gepaart mit subtilem Feingefühl für melodische Schönheiten, so spielte Gerold Huber dieses Werk. Zu keiner Zeit virtuose Selbstdarstellung vielmehr höchste Expressivität, den Geist Beethovens beschwörend.

Selbst die Kadenz des ersten Satzes diente bei Gerold Huber nicht dem Zeigen seines pianistischen Könnens, sondern war in das Gesamtkonzept nahtlos eingebunden. Brillanz und tiefster Ausdruck gaben sich bei Gerold Huber die Hand. Das Niederbayerische Kammerorchester und Olivier Tardy gingen auf die Intentionen des Pianisten voll ein, unterstrichen diese und hielten sich, wo notwendig, zurück. Mit dem in sich selbst ruhenden Klaviersatz des Largos mit seinen Terzen und Arpeggien überstrahlte das Klavier in gewollter Weise das Orchester. Das Niederbayerische Kammerorchester und Gerold Huber schufen ein Klavierkonzert „aus einem Guss“, ein Konglomerat aus geballter Wucht und Zärtlichkeit.

Mozart und Beethoven, interpretiert von hervorragenden Musikern und Solisten! Kann 2018 schöner beginnen?


Theodor Auer


pdfZeitungsbericht: Neujahrskonzert